Mai 2023:
Richtungswechsel bei COLT Kambodscha
Liebe Leserin, lieber Leser,
im Jahr 2005 hatte sich die „Stiftung COLT“ in den Niederlanden gegründet, ein Jahr später unser deutscher „Verein COLT Deutschland e.V.“ Darüber hinaus wurde durch eine langjährige Mitarbeiterin aus Norwegen – unsere Kristine, die bis Herbst 2022 rund sieben Jahre als Organisationsleiterin in Kambodscha eingesetzt war – eine norwegische Stiftung ins Leben gerufen.
Mit Hilfe dieser drei Organisationen, aber auch durch zahlreiche internationale Spender, Helfer und ein gewachsenes Netzwerk konnten das Projekt „COLT“ mit Leben erfüllt und die Lebensbedingungen der Heimkinder spürbar verbessert werden.
Die damalige Intention der Gründer war es, den Kindern in einem konkreten Kinderheim in Kambodscha zu helfen, sie „von der Straße weg“ zu holen.
Dies gelang gut, im Laufe der Jahre immer besser…
es wurden beispielsweise neue Räumlichkeiten angemietet und umgebaut, alle Kinder zur Schule geschickt, für eigene Zusatzunterrichte gesorgt, die Grundversorgung des täglichen Lebens durch regelmäßige, gesunde Mahlzeiten und weit gestreute Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung und -vorsorge der Kinder ergänzt.
Das Ganze gelang vor allem durch ein strukturiertes Herangehen.
Durch eine großzügige Spende aus Deutschland war es möglich, im Jahr 2014 ein geeignetes Grundstück – damals knapp außerhalb der Stadtgrenzen von Phnom Penh – zu erwerben, zu bebauen und noch vor Jahresende 2015 einzuziehen.
Mit diesem Schritt erfolgte jedoch auch eine Ausweitung unserer Tätigkeiten, COLT wurde damit zu einem Gemeinschaftszentrum, das sich mehr und mehr um die Bedürfnisse der Dorfgemeinschaft kümmerte.
Aufgrund sich ändernder Rahmenbedingungen, vor allem seitens der kambodschanischen Behörden gab es immer restriktivere Auflagen, was den Betrieb von Waisenhäusern und Kinderheimen betraf.
Diese konnte COLT zwar stets in vollem Umfang erfüllen und wurde u. a. auch schon früh durch die kambodschanische Regierung dafür ausgezeichnet - eine Entwicklung allerdings, die damals noch nicht so richtig abzuschätzen war, lag bei den Forderungen nach einer familienbasierten Betreuung der Kinder.
Hierzu kurz erläutert: Es wurde durch empirische Untersuchungen gestützt unterstellt, dass die Entwicklung von Kindern innerhalb einer Familie sinnvoller sei, als dies in einer Einrichtung wie einem Kinderheim möglich wäre.
Aus diesen Untersuchungen wurden schließlich Forderungen des Staates, eine familienbasierte Betreuung von Kindern immer stärker die Regel werden zu lassen.
In Zahlen hieß dies, dass zuerst einmal etwa ein Drittel der Kinder in geeignete Familien, möglichst die eigene, sofern noch existent, zurückgeführt werden sollte. Im Gegenzug mussten im Laufe der vergangenen Jahre auch mehr als 30 % der Heime ihre Pforten schließen.
Für uns bei COLT wiederum hieß das konkret, dass wir die Zahl unserer Heimkinder, von denen wir anfangs 12 übernommen und im Laufe der Jahre bis auf 30 Kinder aufgebaut hatten, reduzieren mussten und gleichzeitig nach Möglichkeiten zu suchen hatten, die Kinder in Familien zu integrieren.
COLT sollte als Institution maximal noch für Bildungs- und Ausbildungsfragen erste Ansprechstation sein.
Mittlerweile - zu Jahresbeginn 2023 - ist die Zahl der Heimkinder bereits auf nur noch 10 geschrumpft, was wir vor wenigen Wochen erst in dieser Klarheit aus Kambodscha erfahren haben. Auch ein Punkt, der auf eine sich verschlechternde Informationspolitik zurückzuführen ist, wonach es hier jedoch nicht um Schuldzuweisungen geht, sondern um den fairen Umgang unter Partnern.
Das Überraschende für uns in Deutschland war allerdings die Tatsache, dass laut aktuellster Aussagen auch diese Kinder bis Jahresende 2023 "abgegeben" werden sollen - entweder in geeignete Familien zurückgeführt oder an andere NGO’s übergeleitet.
Warum? – weil der Heimbetrieb zum Jahresende 2023 eingestellt werden soll!
Es ist zwar weiter im Rahmen des Gemeinschaftszentrums von KiTa und Vorschule sowie einer vergrößerten Zahl an Kindern die Rede, die COLT betreuen würde, aber das Kinderheim wird es nicht mehr geben!
Auch wenn wir die diversen Begründungsversuche für diese Planungen und bereits gefassten Beschlüsse in Teilen nachvollziehbar halten – wir waren und sind angetreten, ein konkretes Heim zu unterstützen und nicht eine Dorfgemeinschaft.
Wir wollten nie einen Umweg über die Verbesserung von Familiensituationen einschlagen, damit das Umfeld für die Kinder besser wird und sich daraus positive Entwicklungsmöglichkeiten entwickeln…könnten.
Wir sehen darin einen größeren Aufwand – auch Kontrollaufwand - bei geringerer Garantie für Erfolge.
Ganz abgesehen davon, dass wir als COLT Deutschland satzungsgemäß einen klar definierten Aufgabenbereich abdecken müssen, der sich ausschließlich auf die Förderung von Kindern beschränkt – eine Kontrolle einer entsprechenden und vor allem sinnvollen Verwendung der Spenden wäre uns unter dieser neuen Konstellation kaum mehr möglich.
COLT Deutschland steht damit an einem Scheideweg.
Innerhalb der deutschen Vorstandschaft werden diese Entwicklungen intensiv diskutiert, wobei sich bislang ein für uns gangbarer Weg in eine Zukunft nicht zeigte.
Es steht in letzter Konsequenz sogar der Fortbestand bzw. die Auflösung unseres Vereins im Raum.
Dieses Thema wird auf unserer Mitgliederversammlung im Sommer sicherlich in aller gebotenen Ernsthaftigkeit diskutiert, es wird jedoch dann auch ein Beschluss gefasst werden, ob und wie es weitergehen könnte.
Derzeit überwiegen die Bedenken…
Wir halten Sie, liebe Mitglieder, Freunde und Förderer natürlich auf dem Laufenden!
H. H.