September 2018:
Die Schule hat wieder begonnen
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
in Deutschland ist auch in den letzten Bundesländern die Sommerpause zu Ende gegangen, ein neues Schuljahr hat begonnen. Oft hört man nun wieder den Spruch „vom Ernst des Lebens“ oder „die Schulzeit war doch die schönste Zeit“. Aussagen, die wohl bei vielen Wahrheit und Wehmut verquicken. Doch subjektives Empfinden und objektive Wahrnehmung unterscheiden sich auch bei uns in Deutschland oft erheblich.
Wie sieht das Ganze aus, wenn man heutige Schulkinder / Schulanfänger betrachtet? Hier in Deutschland, oder anderswo auf dieser Welt – zum Beispiel in Kambodscha?
Ja – ich darf schon zu Anfang einschränken, auch hierzulande gibt es an vielen Schulen Wünsche nach Verbesserungen, die meistens auch berechtigt sind, aber…aus der Warte eines fremden Landes wie etwa Kambodscha betrachtet gleicht dies Jammern auf hohem Niveau.
Werfen wir doch einmal den Blick auf unsere Schulkinder in Deutschland.
Der erste Schultag wird zu einem wahren Event, bei dem nicht nur Klassenlehrer, Direktor und ein Elternteil den neuen „Pennäler“ an diesem Tag zur Seite stehen – oft finden sich Eltern und Großeltern, Onkel und Tanten gleichermaßen ein, an diesem feierlich zelebrierten Beginn des Schullebens teilzunehmen.
Dem Kind wird in unserem Kulturkreis dabei mit einer Schultüte der Einstieg in den Schulalltag versüßt, die Utensilien für die Schule, Nützliches für den Alltag und vor allem Obst und Süßigkeiten enthält. Doch in unserer satten Wohlstandsgesellschaft finden sich heute immer größere Schultüten mit wertvollen Füllungen wie Taschenrechner, Handys oder Erlebnisgutscheine darin…und natürlich auch zahlreiche Schleckerei.
Die Frage nach dem „Muss das wirklich sein?“ kann wohl kaum jemand mit „ja“ beantworten.
Auch der Weg in die Schule ist in Deutschland häufig recht bequem. Viele der Eltern haben die Möglichkeit und lassen es sich nicht nehmen, ihre Kleinen mit dem Auto zur Schule zu bringen und oftmals auch wieder zu holen…und das, obwohl wir ein gut durchdachtes System von Schulbussen auf unseren Straßen vorfinden. Häufig werden die Kinder auch zu diversen, regelmäßigen Veranstaltungen wie Reitstunden, zum Sportverein oder anderen Freizeitvergnügen mit dem Pkw chauffiert.
Schön ist auch, dass den meisten Kindern in Deutschland seitens der Eltern ein Taschengeld für die Schule mitgegeben wird. Mit diesem können an allen Schulen Getränke und Snacks gekauft werden, die mehr oder weniger gesund sind. Natürlich gibt es auch reichlich an „Süßkram“ zu kaufen, doch davon wollen die Eltern oft gar nicht wissen.
Fünf Euro pro Tag sind dafür keine Seltenheit.
Ein anderes Feld, auf dem sich viele Unterschiede zeigen, ist das Thema Ausstattung der Schulen und Unterrichtsmaterialien. Für deutsche Kinder und an allen Schulen wird es gleich zu Anfang eines Schuljahres teuer - all die Hefte, Stifte, Zeichenutensilien, Bücher und Lernhilfen zu erwerben geht ins Geld – oft jedes Jahr von Neuem.
Klassenzimmer sind häufig – auch schwachen Geburtenjahrgängen geschuldet - nach kleinen Lerngruppen orientiert angelegt und bunt und freundlich gestaltet, sollen eine Umgebung bieten, in der das Kind gerne lernt.
Klassenzimmer bieten heute multimediale Möglichkeiten, wenn – zugegebenermaßen - auch nicht immer das Neueste vom Neuen. Und natürlich sind an den Schulen auf jedem Stock getrennte WC-Bereiche für Mädchen und Jungen vorhanden, die – meistens zumindest – ordentlich funktionieren, gewartet und gepflegt sind.
Das Thema Lehrer und Unterrichtsstunden darf hier natürlich nicht fehlen.
Wenn es 2018 leider auch in allen Bundesländern an Lehrkräften mangelt und Ausfälle viel Einsatz und Organisationstalent erfordern, so sind die Voraussetzungen für einen guten Unterricht durchaus gegeben. In deutschen Grundschulen steht eine Lehrkraft rund 13 Schülern gegenüber.
Lassen Sie uns nun ein paar Kilometer weiter südlich, östlich… nach Kambodscha blicken.
Der erste Schultag ist – verglichen mit Deutschland – kein „besonderes Ding“. Das Schulkind steht durchwegs alleine seinen neuen Mitschülern und Lehrern gegenüber, denen es vorrangig um geordnetes Auftreten und Autorität geht.
Eine Schultüte sucht man hier vergebens, das einzige Merkmal, auf das die Kinder auch stolz sind, ist ihre Schuluniform – meist eine blaue, dunkle Hose oder Rock und weißes Hemd oder Bluse.
Je nach den finanziellen Möglichkeiten der Eltern kann dies auch schon mal etwas abgetragener sein, jedoch stets sauber und gepflegt.
Wie kommt der kambodschanische Durchschnittsschüler zur Schule?
Sicher nicht mit dem Privat-Pkw der Eltern – diese Variante ist wirklich nur den Reichen vorbehalten, die aber auch keine öffentlichen Schulen besuchen. Für viele der Kinder heißt es Tag für Tag einen langen Fußmarsch in Kauf zu nehmen, der durchaus mehrere Kilometer – einfach – betragen kann. Wer Glück hat und ein Fahrrad besitzt, mit dem er auch noch fahren kann, gilt schon als privilegiert. Andere Mitfahrgelegenheiten sind kaum regelmäßiger Art, wie z. B. auf einem Ochsenkarren, einem Traktor oder vielleicht sogar mit einem Motorroller mitgenommen zu werden.
Taschengeld ist kambodschanischen Schülern weitgehend unbekannt.
Obwohl die Grundschulen keine Schulgebühren verlangen können sich Eltern, die selbst nur ein bis zwei Dollar am Tag verdienen, oft kaum die Schuluniform leisten. Vor diesem Hintergrund werden viele Kinder schon nach der Grundschule nicht mehr auf weiterführende Schulen geschickt, sondern verpflichtet, auf den Feldern mitzuhelfen und zum Familieneinkommen / -auskommen beizutragen. Häufig gibt es mehr als ein Kind im schulpflichtigen Alter. Aus genannten Gründen wird oftmals abgewägt, ob und welches der Kinder zur Schule geschickt wird – und Jungen sind hier kulturell deutlich bevorzugt.
Sollten Kinder das Glück haben, von ihren Eltern ein Taschengeld zu bekommen, dann liegt dies meist in einem Bereich von 2.000 bis 2.500 Riel (umgerechnet 50 Euro-Cent).
Doch an den Schulen kann man sich hierfür nichts kaufen, schon eher am Wegesrand auf dem Schulweg.
Die Ausstattung der Schulen – gerade auf dem Lande – ließe uns hier in Deutschland schier verzweifeln.
Nur in wenigen Fällen gibt es solide Gebäude mit Türen, Fenstern und Wänden. Oft beherbergt ein Dach, das gegen Sonne, Wind und Regen schützt, ein paar einfache Holzbänke samt Tischplatten, die wir noch aus Filmen aus den 50-Jahren kennen, z. B. aus Ludwig Thomas „Lausbubengeschichten“. Die jüngeren Schüler verfügen meist nur über eine Schiefertafel und etwas Kreide, der Unterricht findet überwiegend an der großen Tafel mit dem Zeigestock des Lehrers statt. Erst bei älteren Schülern kommen auch Hefte zum Einsatz.
Ein gutes Lernklima sucht man hier vergebens.
Technische Ausstattung – gerade auf dem Lande – ist oft nur ein Wunschtraum. Wo kein Strom ist, da findet man weder Projektor noch Ventilatoren, die ein gutes Stück zu besserem Lernen beitragen könnten. Auch eine Wasserversorgung ist oft nicht gegeben. Wenn es Wasser gibt, dann kommt es meistens nicht aus der Leitung, sondern aus Zisternen. Das Wasser besitzt keine Trinkwasserqualität, oft ist es sogar durch Keime verunreinigt. Selbst im Falle vorhandener Toiletten kann es in der trockenen Jahreszeit sein, dass für die Spülung kein Wasser mehr vorhanden ist und sie deshalb – vorübergehend – geschlossen werden müssen, die Kinder irgendwo im Außenbereich ihre Notdurft verrichten dürfen.
Und wie sieht es mit den Lehrkräften aus?
Nachdem ein Großteil der gebildeten Bevölkerung – so auch die Lehrer – in den siebziger Jahren zur Zeit der Roten Khmer getötet und das Land dadurch weit zurückgeworfen wurde, musste eine Bildungsschicht erst wieder aufgebaut werden.
Leider sind Lehrer auch heute noch absolut unterbezahlt, ihr durchschnittliches Einkommen von 60 bis 80 US-Dollar pro Monat reicht zum Leben oft nicht aus. Kein Wunder dass viele mit unlauteren Mitteln versuchen, ihr Salär aufzubessern, z. B. durch Korruption.
Wenn ein Kind sich 10 bis 20 Dollar im Monat leisten könnte, dann kann es auch bessere Noten erwarten. Dies untergräbt bis in die höchsten Jahrgangsstufen, ja sogar bis an die Universitäten den Bildungsauftrag. Viele Abgangszeugnisse oder Qualifizierungen lassen letztlich keinen Rückschluss auf tatsächliche Fähigkeiten oder Wissen zu. Ein Problem, das zwischenzeitlich sogar der Regierung nicht mehr unbekannt ist.
Doch auch die Klassenstärken tragen maßgeblich zu nur mäßigem Lehrerfolg bei – 2016 kamen im Schnitt auf eine Lehrkraft knapp 43 Grundschüler.
Wenn man all diese Probleme betrachtet, dann bieten wir bei COLT unseren Kindern sehr gute Chancen und beste Voraussetzungen für einen ihren Möglichkeiten angepassten Bildungsweg. Wir betreuen unsere Heimkinder auch über den Besuch der öffentlichen Schule – in unserem Fall sogar einer Privatschule - hinaus durch eigene Unterrichte und Erfolgskontrollen, die sich durchaus mal in Nachhilfeeinheiten niederschlagen.
Wir bringen unsere Kinder und Tagesstätten-Kinder sicher von und zur Schule. Wir bieten unseren Heimkindern ein Taschengeld zur eigenen Verwendung – ob sie es ausgeben oder sparen wollen liegt an ihnen selbst. Unsere Gemeinschaftsschule verfügt über ein solides Gebäude mit mehreren, voneinander abgetrennten Klassenräumen mit ausreichend Tischen und Bänken. Natürlich gibt es bei uns Strom und Ventilatoren, und mit unseren Computerunterrichten sogar zukunftsorientierte Bildung. Toilettenanlagen und Duschen sind auf dem Gelände vorhanden und verfügen über „Wasser aus der Leitung“.
Und die Lehrer / unser Personal – wird fair bezahlt und verfügt über eine Errungenschaft, die wahrlich nicht viele Arbeitgeber ihren Angestellten in Kambodscha bieten:
Eine medizinische Versorgung.
Sie sehen – wir tun unser Möglichstes, solide Arbeit zu leisten, um Gutes zu bewirken.
Bislang konnten wir dies auch Dank Ihrer Mithilfe und derer zahlreicher Förderer, Sponsoren und freiwilliger Helfer gewährleisten. Das soll auch weiterhin so bleiben.
Bitte tragen Sie durch Ihre Spenden einen Teil dazu bei.
H. H.